Wilhelmsburger Kirchenbuch
Einen interessanten Beitrag zur Geschichte Wilhelmsburg stellt die
Zusammenfassung "Vom Wilhelmsburger Kirchenbuch" - erschienen
191, als Sonderdruck der Wilhelmsburger Zeitung - von E. Reinstorf dar.
Kirchenbücher wurden nach der Reformation zuerst in Süd- und Mitteldeutschland
angelegt. Um 1650 beginnt auch das Wilhelmsburger Kirchenbuch. Es enthielt
zunächst nur das Begräbnis-, später dann ab 1658 auch das Tauf- und
Trauregister.
Von 1794 an mußte eine zweite Ausfertigung geführt werden und von 1853 an ging
eine weitere Abschrift an die Behörde. Erst 1853
wurde das Kirchenbuch alphabetisch geführt.
E. Reinstorf machte sich 1914 die Mühe, die ungeordneten Eintragungen zu sichten
und in einer Kartei zu ordnen. Das dabei gesich-
tete Material umfasst den Zeitraum zwischen 1612 und. 1852.
Die Kirchenbücher wurden nicht immer korrekt geführt, so dass sich häufig Fehler
einschlichen. So starb z.B. im Jahre 1729 ein 76-
jähriger Mann gleich zweimal. Einmal wurde eine Tochter a1s Johann, einmal a1s
Peter, ein anderes Mal wieder als Sohn eingetragen.
Im Laufe der Zeit wurden die Eintragungen immer genauer und umfangreicher. Neben
den reinen Personendaten wurden auch Meinungen und Urteile über die Zeitgenossen
ins Kirchenbuch aufgenommen:
"1828 Eine sehr ausgezeichnete Frau durch Kenntnisse, Fleiß und Tätigkeit,
besonders durch ihr sittlich-religiöses Denken und
Lebensweise."
"1828 Henning Wülfken, Höfner. Guter, dienstwilliger, christlich- religiöser
Mann. "
Einen breiten Raum nehmen die Eintragungen über Todesursachen, Seuchen,
Wasserschäden, Unglücksfälle und kriegerische Auseinan-
dersetzungen ein.
Die meisten Menschen starben in jenen Jahren an Abzehrung, Schwindsucht,
Brustkrankheit, Brustseuche, Wassersucht, Schlag, Kindbettfieber usw. Einige
starben "an nicht näher zu bestimmender Krankheit", "Mangel an Lebenskraft", an
"hitziger Erkältung"
einer an Überfütterung, ein 15jähriges Mädchen an "Herzensangst", ein 19jähriges
Mädchen, weil es vom Donnerschlag erschreckt wurde,
ein 62jähriger Mann "an den Folgen des Schreckens bei starken Gewitter", eine
17jährige an Blattern, "obwohl sie geimpft worden
war (1824)", ein 65jähriger an Hunger und, Kälte, ein 50jähriger "an
Wunden, welche ihm als Felddieb vor drei Monaten geschossen
(179O)."
Seuchen traten in der damaligen Zeit regelmäßig auf. Es waren vor allem die
Pocken, Blattern, Halsbräune, Scharlach, Masern und
Cholera, die unter der Bevölkerung wüteten.
Der Tod durch Ertrinken war auch recht häufig: "Am 26. Juli 1679 waren mit Otto
Becker von Hamburg zehn Personen
bei gutem Wetter nach hier abgefahren. Mitten auf der Elbe war ein starkes
Gewitter mit Sturm ausgebrochen. Das mit 3OOO Mauer-
steinen beladene Schiff schlug um und sieben Personen in Alter von 24 bis 36
Jahren nebst einem Mädchen von acht Jahren ertranken. "
"Ein 22jähriger hatte mit einem Pferd. durch die Elbe reiten wollen und war
dabei ertrunken."
"1715 kamen fünf von sieben Personen, die im Schlitten nach Altenwerder fahren
wollten, im Eise um, eine davon aus Wilhelmsburg."
"Einem 2Ojährigen wurde von einem entgegenkommenden Schlitten das Herz
zerstoßen. Der Schlitten zersplitterte."
.An 13. November 1804 fiel ein 45jähriger Mann auf der Rückfahrt im
Beisein seiner Frau über Bord., verwickelte sich im Fischernetz
ertrank".
Das schrecklichste Unglück, welches das Kirchenbuch meldet, war die Wasserflut
vom Oktober 1756, bei der aus Stillhorn 19 aus
Reiherstieg 6 und, aus Georgswerder eine Person ertranken. "
Zu den Unglücksfällen des täglichen Lebens gesellten sich die
der kriegerischen Auseinandersetzungen, besonders zur Zeit der Befreiungskriege.
"1813, Johann Heims auf der Müggenburg, 51 Jahre alt, an den Folgen des
Schreckens vom Kriege gestorben."
"1814, Januar und Februar. Fünf Leichen aus Moorwerder hier begraben, weil sie
wegen der Kriegsumstände nicht nach Ochsenwerder
kommen konnten. "
"Am 21. Dezember 1833 wurde ein schwedischer Oberst a.D. von Wachenhusen am
Schluisgrover Deich von Baron von Biel aus Ziero in
Mecklenburg im Due1l erschossen und hier begraben. "
"9. Februar, Margareta Becker, Claus Becker zum Rotenhause Tochter, 30 Wochen
alt, durch eine Flintenkugel auf dem Arm der Magd getötet während des
mörderischen Gefechts auf der Insel zwischen den Franzosen und" den Russen."
"17. Februar, Peter Bode, 55 Jahre alt, Ehemann, Honartsdeich, in einem Hause
durch einen Flintenschuß von einem besoffenen russi-
schen Soldaten getötet, dem er keinen Branntwein geben konnte, weil er ihn nicht
hatte."
Im angegebenen Zeitraum gab es auch zwei Hinrichtungen in Wilhelmsburg,
1724wegen Mordes und 1729 wegen Diebstahls.
Ein besonderes Kapitel sind die Namen, die im Kirchenbuch vorkommen und ihre
Schreibweise. einige Namen, die wir heute nur als
Familiennamen kennen, kamen damals auch als Vornamen vor: Sievert, Bartels,
WüIfken, Meyer, Dittmer, Hein usw.
Anhand, des Kirchenbuches 1äßt sich die Familiengeschichte von fast 70 Familien
aus Wilhelmsburg bis ins siebzehnte Jahrhundert zurückverfolgen. Zu diesen
Familien gehört auch die unseres ehemaligen Schulleiters Herrn Wülfken. Der
Familienname taucht in verschiedener Schreibweise auf : Wü1fken, WüIffken,
Wüllffcken und- Wülfcken.
Im Zeitraum 1658 bis 17OO sind für diese Familie 169 Geburten, von 1701 bis 1750
14O Geburten, von 1751 bis 1800 142 Geburten,
von 1801 bis 1852 121 Geburten im Kirchenbuch aufgeführt.
Quelle: Festschrift zum Geburtstag der Schule Kurdamm,75 Jahre, 1981