Block-Eis von der Dove-Elbe
Wenn in früheren Zeiten ein Betrieb, eine Gastwirtschaft oder auch ein Haushalt Eis zum Kühlen von Lebensmitteln oder Getränken benötigte, dann brachte ein Eiswagen Blockeis ins Haus. Nur wenige Wilhelmsburger werden wissen, dass noch bis zum Jahr 1912 ein großes Eiswerk am Ufer der Dove-Elbe (Hövel) existierte. Dort wurde Stangeneis aufbewahrt, dass im Winter auf Teichen und Flüssen, u.a. auch auf der Dove-Elbe gewonnen wurde. "Wilhelmsburger Block-Eis wurde während des ganzen Jahres ausgeliefert. Denn damals gab es noch keine Eismaschinen oder gar Kühlschränke.
Im Jahr 1864 hatte die Hamburger Firma Wiedenbrück und Oehlke am Nordufer der Dove-Elbe neben dem heute noch existierenden Höfelhof ein umfangreiches Eiswerk errichten lassen. In großen hölzernen Schuppen, deren Doppelwände zur besseren Isolation mit Torfmüll ausgefüttert waren, wurde das Blockeis während des Jahres gelagert. Von hier aus wurde es mit Pferdewagen an die Verbraucher, z.B. Krankenhäuser, Gastwirtschaften und auch Haushalte ausgeliefert.
1. Eiswerk der Fa.Wiedenbrück und Oehlke an der Dove-Elbe
Im vorigen Jahrhundert und wohl auch zu Anfang dieses Jahrhunderts müssen die Winter wesentlich strenger gewesen sein als heute. Wenn die zugefrorenen Flüsse und Seen eine ausreichend starke Eisdecke aufwiesen, kam die hohe Zeit der Eissäger. Es waren meistens Saisonarbeiter, die während der wärmeren Jahreszeit eine andere Tätigkeit ausübten und die gewiss froh waren auf diese Weise während des Winters in "Lohn und Brot" zu stehen, denn damals gab es noch keine Arbeitslosenunterstützung oder Schlechtwettergelder.
Die Eisdecke wurde per Hand oder auch mit einer von einem Pferd gezogenen Säge in handliche Blöcke zersägt (siehe unsere Zeichnung). Mit Hilfe von Transportbändern wurden die Eisblöcke dann in die Kühlschuppen befördert, wo sie sorgfältig gestapelt wurden. In den Schuppen herrschte immer eine gleichbleibend niedrige Temperatur, die verhinderte, dass Eisblöcke zusammenschmolzen. Allerdings musste der Eisvorrat in jedem Winter erneuert werden, denn über eine Unbegrenzte Zeit konnte man das Eis in den kühlen Schuppen nicht halten. Das so gewonnene und gelagerte "Wilhelmsburger Block-Eis" war sehr beliebt.
2. Wilhelmsburger Zeitung vom 17. Februar 1978
Im Sommer des Jahres 1912 schlug bei einem schweren Gewitter ein Blitz in den Eisschuppen ein. Das Eiswerk brannte völlig ab. Es wurde auch nicht wieder aufgebaut. Denn im Jahre 1876 erfand Carl von Linde (er wurde wegen seiner Erfindung im Jahre 1897 geadelt) eine Kältemaschine auf Ammoniakbasis. Fortan konnte Kühleis maschinell und während des ganzen Jahres hergestellt werden. Die Erfindung der Kältemaschine ermöglichte auch den Bau großer Kühlhäuser in denen Lebensmittel aller Art gelagert werden konnten.
Heute hat fast jeder Haushalt einen Kühlschrank oder auch Gefriertruhe, in denen sogar Eis für den eigenen Bedarf hergestellt werden kann.
An das erste Wilhelmsburger Eiswerk erinnert nur noch ein kleines festes Gebäude am Nordufer der Dove-Elbe. Es ist heute ein Wohnhaus. Das einst so geliebte Blockeis wird auch heute noch in Wilhelmsburg hergestellt, und zwar im Kühlhaus-Zentrum an der Trettaustraße.
3. Wilhelmsburger Zeitung vom 17. Februar 1978
Die folgenden Zeilen erhielt ich von Hildegard Materla geb. Vagts am 18.12.2008:
Mein Name ist Hildegard Materla geb. Vagts am 07.07.1928 geboren in der damaligen Kanalstrasse wo meine Eltern ein Gemüsegeschäft betrieben. Meine Eltern kamen um das Jahr 1913 aus ihrem Geburtsort Stade nach Wilhelmsburg, wo mein Vater für kurze Zeit bei der Reichsbahn beschäftigt war.
4. 1921 machte er sich mit dem Roh-Eis Betrieb selbstständig.
5.
6.
Mit Pferd und Wagen holte er Tag für Tag das Eis von der Süderstasse Firma "Muck Eis" um sämtliche Gaststätten, Lebensmittel Geschäfte, Firmen Labore usw. und vor allem im Sommer die vielen Eis Cafes wie Fielipjah, Bayer, Langkuw (Cafe Glitsch im Volksmund) -die das Eis zur Herstellung ihres Speiseeises verwendeten- zu beliefern. Im Hochsommer (damals gab es die noch) mußte er noch Leihwagen anmieten um den Bedarf zu decken. Noch im Jahr 1928 gab meine Mutter das Geschäft ab, und wir zogen in die Rudolfstrasse 2 wo sich auch das Spritzenhaus (Feuerwehr befand. Wenn Brände ausbrachen und mein Vater war erreichbar, mußte er mit seinem Pferd auch die Wasser-Wagen zum Einsatzort bringen. Viele meiner Schulfreunde und wohl auch so mancher Wilhelmsburger unserer Jahrgänge können sich sicherlich noch an das Pferdegespann erinnern. Der Pferdestall war zuletzt auf dem Hof von Ippensen, Ecke Veringstrasse/Julius-Ertel Strasse. Dort hatte mein Vater auch einen Lagerraum eingerichtet der mit Zink Platten ausgeschlagen war um das eingelagerte Eis frisch zu halten. Hier wurde auch zu einer bestimmten Tageszeit kleine Mengen Eis von meiner Mutter an Privathaushalte verkauft. Im Winter sägte mein Vater mit einigen Helfern bei Koch, -damals schon eine Badeanstalt- das Eis aus dem Kanal.
Ja so alles in allem war mein Vater schon eine Institution im damaligen Wilhelmsburg.
7. Sohn Wilhelm und der neue LKW
1952 nachdem mein Bruder Wilhelm aus der Kriegsgefangenschaft zurück kam, wurde Pferd und Wagen abgeschafft und ein LKW übernahm den Transport.
8.
Bis dann die große Flut 1962 auch dieses Gewerbe fast zum erliegen brachte. Alle Geschäfte und Betriebe stellten sich auf Elektro-Geräte (Kühlschränke) um. Mein Vater war, nach dem er den Betrieb meinem Bruder übergeben hatte, 1954 in seine Heimatstadt Stade zurück gekehrt. Mein Bruder Wilhelm führte das Geschäft dann noch bis 1963 weiter, gab es dann auf. Somit kann man wohl sagen ging eine Ära zu Ende.
Am 26. September 1968 verstarb Wilhelm Vagts
Abb. 1. Historische Nachrichten über die Elbinsel Wilhelmsburg von Albert Gehrkens 1896 steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.Abb. 4. - 8. von Rudolf Materla steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.