Die Brauerei auf dem Amtshofe in Wilhelmsburg

Von E. Reinstorf

Aus der "Wilhelmsburger Zeitung" vom 19.Sept. 1939

Auf dem Amtshofe in Kirchdorf (seit 1865 Schule und Kirchhof) befand sich bis vor 100 Jahren auch eine Brauerei; über die uns die Akten im Staatsarchiv Hannover näheres berichten.

Es scheint, als wenn dieselbe erst angelegt wurde nachdem im Jahre 1672 die Grotschen Besitzungen hierselbst von dem Herzog Georg Wilhelm erworben worden waren; denn in dem Kaufkontrakt, durch den im Jahre 1670 die Gastwirtschaft bei der Kirche auf Tewes Timmann überging, ist von einem Bezug des Bieres aus der hiesigen Brauerei nicht die Rede.

Um ihr das nötige Wasser zuzuleiten, wurde in Finkenriek eine Schleuse durch den Elbdeich gelegt und dieselbe durch den noch heute als Wettern vorhandenen Brausielgraben mit dem Burggraben verbunden.

Im Jahre 1679 legte der Kunstmeister Jakob Reinßdorf für 121 Taler 16 Schilling Röhren aus dem Burggraben durch den Garten des Amthofes, um das Wasser mit Pumpen in die Brauerei zuleiten.

1691 wurde der Wasserzug in das Brauhaus ausgebessert. 1749 wurde eine neue Wasserleitung aus dem Brauhaus in den Burggraben hergestellt, die 30 Taler kostete.

Im Jahre 1735 wurde ein neues Brauhaus gebaut, 21 Fuß lang und 41 Fuß breit, mit drei Stockwerken, worin sich auch der Darr- und der Malzboden, die Hopfenkammer und Stube und Kammer für den Braumeister befanden. (1695 wurde das vor dem Amtshause stehende kleine Krügerhaus als Braumeisterwohnung eingerichtet.) Unter dem Brauhause war ein Malz- und Bierkeller mit drei Tonnengewölben. Die Braupfanne war aus Kupfer.

Außer dem gewöhnlichen Bier wurde auch Broihan gebraut, der zuerst von einem Manne dieses Namens in Hannover hergestellt wurde.

Daß die Brauerei in der ersten Zeit recht einträglich war, sieht man daraus , daß sie 1683-1693 jährlich einen Überschuß von 500 bis 1000 Taler hatte.

Das Bier war früher wegen des reichen Malzgehaltes ein Nahrungsmittel wie Brot und Fleisch. Es Wurde deshalb nicht nur zu jeder Mahlzeit Bier genossen, sondern es gab auch morgens und abends Biersuppen und Bierkaltschale.

Darum ist es auch verständlich, wenn wir z.B. erfahren daß im Jahre 1604 bei einem Aufstande in Wilhelmsburg die Leute dem Pastor hierselbst 6 Tonnen Bier auslaufen ließen.

Um den Absatz des Bieres in Wilhelmsburg zu befördern, wurden hier mehrere neue Krüge angelegt; ja "einige zum Krügen fast genötigt". (1676 bestanden in Stillhorn 5 Krüge.) Sie erhielten den Broihan zu 8 Mark lüb. einschließlich Accife (Accife=Steuer, die alte Accife wurde durch Landtagsabschied von 1624 bewilligt) und es wurde ihnen versprochen, "daß ferner nichts mehr darauf gesetzt wurden solle". Trotzdem sollten sie im Jahre 1688 von 10 Kannen Bier 1 Taler geben. Sie weigerten sich jedoch beharrlich und wollten lieber das krügern darangeben.

Nach einem Edikt von 1694 wurde auf jedes halbe Fass oder jede dicke Landestonne fremden, ausländischen Bieres eine Abgabe von 12 Mariengroschen gelegt.

Die Steuer hatte der Brauer oder Ausschenker zu erheben. Dieser durfte dafür auf jedes halbe Stübchen noch einen schweren Groschen legen.

Durch ein Edikt vom 22. Dez. 1711 wurde die Steuer auf jedes Fass einheimischen Bieres um 3 Schilling erhöht.

Im Jahre 1714 führte die Regierung "zur Erhaltung des Landeskredits eine Trank- und Biersteuer ein, sowohl für das fremde, als auch für das einheimische Bier und Weißbier. Nur dünnes oder Gesindebier, sog. Kobent, war davon ausgenommen. Letzteres durfte auf dem Lande frei hergestellt werden, wenn man auf 1/2 Fass höchstens 1 Himten Malz verwandte. Es mußte aber, wenn das Malz umgeschrotet zu werden, zu Mühle gebracht wurde, ein Wasserschein vorgelegt werden.

Geistliche, Adlige und Beamte hatten die Biersteuer monatlich zu Celle zu entrichten. Wenn sie es nicht taten ging die Freiheit für ihr Haus verloren.

In der Hoopter Schanze, in Bullenhausen, Götjensort und Reiherstieg waren beeidigte Steuereinnehmer, besonders für Hamburger Bier, stationiert.

Das Bier, was durchgefahren wurde war frei, mußte aber auf den großen Landstraßen und durfte nicht auf Nebenstraßen transportiert werden.

Die Brauer in den Städten und Flecken hatten das Bier anzumelden, sobald es in Fässern getan wurde. Untreue Beamte sollten schwere Strafe erhalten, ja entlassen werden.

Vom 1.Juli 1714 ab wurde von dem Herzog Georg Ludwig das Privatbrauen in den Städten und Flecken auf vier Jahre völlig verboten, welches Verbot später bis 1800 verlängert wurde.

Im Jahre 1764 erging eine Bekanntmachung dahin, daß niemand sich unterstehen solle, Getränke wovon 1/4 Tonne mehr als 5 Schilling koste (also leichtes Bier war), ins Land zu bringen. Im anderen Falle mußte für jedes Faß 2 Taler Strafe gezahlt werden.

Hierüber beschwerten sich die Wilhelmsburger, weil sie behaupteten, daß jeder soviel Dünnbier wie er in seinem Haushalte gebrauche frei gehabt habe. Sie wurden jedoch mit dem Bemerken abgewiesen, daß die Einführung unerlaubt gewesen sei.

In den Jahren 1690 und 1692 wurde Harmen Wülfken und einigen anderen erlaubt, wegen ihres kränklichen Zustandes dann und wann ein Tönnchen Hamburger Bier "für ihren Mund" gegen Entrichtung der Accife einzuführen.

Solange die Brauerei auf Wilhelmsburg bestand, wurde aber von den Wilhelmsburgern heimlich auch fremdes, besonders auch Hamburger und Harburger Bier eingeführt.

1688 hatte der Amtmann in Wilhelmsburg erfahren, daß einige Leute "gegen das heilige Weihnachtsfest Hamburger Bier eingelegt" hatten. Er ließ deshalb durch die Untervögte Haussuchung abhalten, wobei man bei der Witwe des Vogtes von Drateln und bei Michael Schlömer je 1/2 Tonne fand. Jeder mußte 1 Taler Strafe zahlen.

1689 hatte der Vogt Peter Schlatermund ohne amtliche Erlaubnis 4 Tonnen Hamburger Bier zu seiner Hochzeit eingelegt. Er zahlte dafür 2 Taler Strafe.

1690 hatte der Kuhmelker Johann Dircks aus Hamburg ohne Vorwissen und Erlaubnis des Amtmanns eine Tonne Hamburger Bier in Otto Wülfkens Kate gebracht und mit seinen Genossen verzehrt. Strafe 1 Taler.

Im August 1691 war "den gesamten Untertanen aus dem Amtshause vorgelesen und angedroht, auch nachgehends im September einen jeden besonders durch die Untervögte bei 5 Talern Strafe anbefohlen worden, keine Gerste zu verkaufen, sondern wie seit Jahren hier gebräuchlich und üblich, die Probe ans Amt zu bringen und zu handeln". Zwölf Personen hatten dagegen "dem hiesigen Brauwesen zu sehr großen Nachteil und Schaden" ihre Gerste nach Hamburg und Harburg gebracht. Jeder zahlte deshalb 2 Taler strafe.

Der Vogt Hans Heins hatte zu verschiedenen Malen ohne Accife zu zahlen Hamburger Bier eingelegt und den Untervögten zweimal, als sie hatten visitieren wollen, solches mit Gewalt verhindert, indem er den Keller verschlossen und sich mit seinen Leuten davor gestellt hatte, ja er hatte mit bösen und schimpflichen Worten gedroht, sie aus dem Hause zu prügeln. Strafe 5 Taler.

1697 hatte Johann Fürchtenicht, als der Untervogt Jürgen, als bei der Visitation im Keller kein Harburger Bier gefunden hatte, und nun auch in den Winkeln des Hauses nachsehen wollen, mit Worten gedroht und ihn angefahren und dabei mit einem Stück Eisen auf den Tisch geschlagen, indem er ausgerufen hatte: Juch scholl de Donner schlan, wo ji mi ok nich finnet. Strafe 3 Taler.

1698. Hans Albers hatte in den heiligen Weihnachtstagen in Hans Wolfs Haus im Werder nebst drei anderen gesessen und Hamburger Bier getrunken. Strafe 16 Schilling, Hans Wulf als Wirt, weil er Bier von der Müggenburg hatte holen lassen und seinen Gästen zu trinken gegeben, 1 Taler.

Auch Fritz Benecke hatte eine große Flasche Bier von der Müggenburg holen lassen, wo er vorhin auch getrunken und gespielt hatte. Strafe 32 Schilling.

1707 wurde festgestellt, daß Joachim von Drateln in Reiherstieg 1/2 Tonne Bier aus Hamburg in einem alten Ewer, der auf dem Lande ausgebessert wurde, versteckt hatte. Er hatte auch, trotzdem er fast immer Arbeitsleute beschäftigte, nicht das geringste Boihan oder Bier aus der hiesigen Brauerei holen lassen.

In Reiherstieg waren täglich 100 und mehr fremde Arbeitsleute (besonders Schiffszimmerer) tätig, und doch wurde in der Woche keine Tonne Bier vom Amte geholt, sondern in kleinen Mengen von Neuhof oder Roß hereingebracht, was nicht so leicht festzustellen war.

So wurde immer wieder festgestellt, daß die Leute "fremdes" Bier, daß offenbar besser war, als das hiesige, eingeführt und irgendwo (im Garten oder sonst wie) versteckt hielten und wenn es entdeckt wurde die verschiedensten Ausreden gebrauchten.

Eine Frau sollte schwören, daß sie kein fremdes Bier habe. Sie sagte, sie habe noch niemals einen Eid geleistet und könne darum auch nicht schwören. Dann sollte sie solange ins Gefängnis kommen, bis sie aussage oder schwöre. Die meisten gestanden dann gewöhnlich ihr Vergehen ein. Nur wenige leisteten einen Eid.

1765 mußten nach und nach sämtliche Amtseingesessene bei Strafandrohung auf dem Amte erscheinen und sich wegen ihres seit einigen Jahren eingeholten Bieres (darunter auch Rösterbier von der Hofe) vernehmen lassen.

Die einzelnen Amtleute gingen jedoch bei ihren Maßnahmen verschieden streng vor. Besonders hart verfuhr der Amtmann von Döhren, der hier von 1747 bis 1762 amtierte. Er ließ häufig "einen körperlichen Eid" schwören

Im Jahre 1806 hörte hier das Brauen auf.

1821 befanden sich die Gebäude der Brauerei nicht mehr in dem Zustande, daß gebraut werden konnte. Auch war mit Hamburg kein Preis zu halten.

1830 wurde das alte Brauhaus auf dem Amtshofe niedergerissen.

1840 wurde nochmals erwogen, ob die Brauerei wieder eingerichtet werden könnte. Aber aus einem Bericht des Amtsassessors Schlüter hin nahm man davon Abstand.