Die Hermann Göring Siedlung

Text von Florian Bierstedt

Die Hafenarbeitersiedlung in Hamburg Wilhelmsburg ist eine Kleinsiedlung, die in der NS Zeit gebaut und Hermann Göring Siedlung genannt wurde. Gedacht war an eine Selbstversorgung mit Gemüse und Fleisch (Kaninchen, Hühner, Enten, Gänse und eventuell Schweine oder Ziegen). Die Siedlung liegt östlich von der S-Bahn Station Wilhelmsburg und reicht vom Dorfstieg bis zur Windmühle. Vor 1934 galt das Gebiet als unbebaubar, da es im ehemaligen Urstromtal der Elbe liegt, wo eine sumpfige und morastige Weidelandschaft war. 1934 begann der Reichsarbeitsdienst, dieses Gelände durch das ziehen von Entwässerungsgräben und das Anlegen von Wegen für die Bauerschließung benutzbar zu machen. Die ersten Anfänge der Siedlung machten 7 Hafenarbeiter, indem sie den Hafen-Siedlungs-Verein gründeten. Nach der Gründung wurde mit dem Bau der vier Abschnitte begonnen.

 1935/36

Zusätzlich gab es noch zwei große Doppelhäuser am Papenbrack, die als Altenheim gebaut wurden. Leider wurden diese Fachwerkhäuser im Jahre 1980 abgerissen, da man die Haussubstanz im laufe der Jahre verkommen lassen hat. Zusätzlich wurden noch zwei Getreidehäuser gebaut, in denen für die Siedler Torf, Düngemittel, Saatgut und Getreide gelagert wurden. Der Torf wurde für mehrere Zwecke benutzt. Da es keine Spültoiletten gab, wurde Torf für die Toiletten benutzt. Dieses Gemisch aus Fäkalien und Torf wurde im Garten als Düngemittel verarbeitet. Und so fand man auf so manchem stillen Örtchen einen Spruch:

"Nun drücke mit geballter Kraft für die notleidende Landwirtschaft" 

Auch wurde ein Gemisch aus Torf und Sand zur Bodenverbesserung genommen, da der vorhandene Boden sehr lehmig war. Im Sommer 1940 begann man mit dem Bau von Rundbunkern zum Schutz der Siedler vor dem schon begonnenen Krieg die heutzutage noch in den Gärten stehen, da die Mauern zu stabil sind. Der Bauabschnitt ging vom Dorfstieg bis zur Brackstrasse und wurde 1936 fertig gestellt.

20.Juni 1936

In der Planung waren vier Haustypen vorgesehen, die sich in der Größe unterschieden (für Kinderreiche Familien). Jedes Haus hatte einen Spitzdachschuppen (15 qm) für die Gartengeräte und Hühner. Eine Doppelhaushälfte (35 m2 Grundfläche mit 1000 m2 Garten) kostete 5100 RM. Für ein Einzelhaus bezahlte man 8600 RM an Baukosten. 

Der Abschnitt 2 hinter der Gesamtschule Kirchdorf bis zur Windmühle sah aus Kostengründen etwas anders aus (Mittelschornstein). Der Bauabschnitt 3, der von der GSK bis zur Brackstrasse reichte wurde 1938 fertig gestellt und hatte wieder zwei Schornsteine. Die Hermann Göring Schule (die heutige GSK) wurde erst nach Fertigstellung der 3 Bauabschnitte gebaut. Der vierte Bauabschnitt wurde wegen des Krieges nicht fertig gestellt. Im Jahre 1952 wurden an dieser Stelle (Schwentnerring, Prassekstr., Leibeltstr.) von der SAGA 4 13-stöckige Mietshäuser gebaut.

Leben in der Siedlung ab 1936

Es wurde den Siedlern zum Teil vorgeschrieben wie sie ihren Garten anzulegen hatten.

Man durfte natürlich etwas von dem Konzept abweichen, aber man sollte möglichst seinen Garten nach dem vorgegebenen Plan anlegen, da er die optimale Ausnutzung des Gartens bietet.

 Jeden Sonntag Morgen mussten die Siedler Gemeinschaftsarbeiten verrichten, wobei Spielplätze und andere Anlagen gebaut wurden. Wenn man diese Arbeit nicht verrichtete oder sein Haus und Garten verkommen ließ wurde man aus der Siedlung verwiesen und mußte wegziehen. In der Hermann Göring Siedlung siedelten nicht nur Nationalsozialisten sondern auch überzeugte Sozialdemokraten und Kommunisten, die ruhig und politisch nicht mehr aktiv waren. Bevorzugt wurden natürlich die Siedlerstellen an Parteimitglieder vergeben. Für die NSDAP war diese Siedlung ein Programmobjekt, mit dem sie zeigen konnten, dass sie was für ihr Volk tun. Die Voraussetzung um eine Siedlerstelle zu bekommen, war ein Stammarbeitsnachweis, dass man im Hafen arbeitet und die Mitgliedschaft im Hafen-Siedlungs-Verein. 

Zusätzlich mußte man einen Fragebogen für ein ärztliches Gutachten ausfüllen, einen Siedlerschein und ein Vertrag für eine Kleinsiedlerstelle erwerben. Jede Siedler mußte 1000RM Eigengeld zahlen, von denen 500RM für 500 Selbsthilfestunden abbezahlt werden sollten. Der Restbetrag wurde vom Gesamthafenbetrieb hinzugegeben. Den Siedlern wurde jeglicher finanzieller Spielraum genommen, da sie neben der Miete (32 RM) auch die Ausstattung bezahlen mussten wie z.B. Waschkessel, Herd, Bäume, Saat, Tiere und Sträucher. 

In der Siedlung gab es zwar teilweise Wasser, aber jedoch kein Elektrisch, keine befestigten Straßen und keine Kanalisation. Ein Trinkwasseranschluss war im Haus vorhanden. Der Abfluss jedoch gestattete sich so, dass im Keller ein großer Bottich stand, in den das verbrauchte Wasser floss. Es mußte jedoch aufgepasst werden, dass dieser Bottich nicht überlief und mußte dann von Hand entleert werden.

Siebenbrüderweide

Kriegseinwirkung auf die Siedlung

Dadurch das die Männer in den Krieg mussten, konnten die Frauen die Siedlerstelle nicht mehr allein bewirtschaften, und mussten sie abgeben. Natürlich gingen die Kriegseinwirkungen nicht spurlos an der Siedlung vorbei. Einige Häuser gab es nicht mehr, andere waren stark beschädigt. Durch Fachwerkonstruktion (Eiche) und die Ausfüllung des Gefaches mit Heraglitplatten (Stroh und Zement gepresst) waren die Häuser recht elastisch und überstanden die Bombenanschläge.

Vor ein paar Jahren hat sich der Hafen-Siedlungs-Verein umbenannt und heißt jetzt Verein Kirchdorfer Eigenheimer. Heutzutage ist die Hermann Göring Siedlung eine Eigenheim Siedlung.